Heinrich Lersch                        Mensch im Eisen

 

Mein Tagwerk ist im engen Kesselrohr

Bei kleinem Glühlicht knieend krumm zu sitzen,

An Nieten hämmernd, in der Hitze schwitzen,

Verrußt sind Aug’ und Haar und Ohr,

 

Nur noch ein kleiner Menschenkraftmotor

Bin ich, dess’ Hebel, meine Arme, flitzen,

Ich will die Adern mit dem Messer ritzen:

Dampf stößt, statt roten Blutes Strahl, hervor.

 

O Mensch, wo bist du? Wie ein Käfertier

Im Bernstein eingeschlossen, hockst du rings im Eisen,

Eisen umpanzert dich mit schießendem Gewirr.

 

Im Auge rast die Seele arm und irr.

Heimweh heult wahnsinnswild, Heimweh weint süße Weisen

Nach Erde, Mensch und Licht! Schrei lauter, Mensch im Eisen!

 

 

 

 

 

Heinrich Lersch

1889 - 1936

Nun sag du mir, ob ich der Lersch noch bin:

Vor Stunden stand ich, rußig, schürte Feuer,

Wand zentnerschwere Eisenklötze her und hin,

Riß sie hinaus; an des Dampfhammers Steuer

 

Stand ich und war ganz Arbeit, Werk und Sinn,

Stolz auf mein funkelblank Maschinenungeheuer,

Bei jedem Schlag erzittert’ die Fabrik bis ins Gemäuer.

Ich stand, der Schmied, lässig und kühl darin.

 

Dann riß ein Heulton Rad und Riemen ab.

Ich wusch mich rein von Schmiere, Ruß und Schweiß,

Doch immer schlug mein Hammerherz hinauf, hinab.

 

Ich ging durchs Tor, trabte im Fußgetrab,

Als wie ein Narr, der lebt und es nicht weiß.

Ich kaufte Wurst und Tabak, schimpfte auf den Preis.

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Lersch                        Ich fühl die Welt, gibst du mir deine Hand

1889 - 1936

Eh meine Liebe dich, mein Kind, erkannte,

Lief sie, nach Schönheit dürstend, in der Welt umher.

Vom Norden grau ans blühende Südlandsmeer,

Heimweh und Fernweh wilde Sehnsucht brannte.

 

Ob ich durch Wälder und Gebirge rannte,

Auf Gletscher stieg, - „Mehr!“ schrie die Sehnsucht, - „Mehr!“

Gebt mir die Erde, Sterne! Gebt die Schöpfung her,

Füllt mir die leere Brust!“

                                       Da kommst du, Gottgesandte:

 

Und trägst Europa in den schmalen Händen,

Auf glänzt dein Leib, schimmernd, des Meeres Strand,

In deinen Augen tiefe Wälder dunkeln,

Ein ewig reifer Acker deine Lenden!

 

Der Tag erwacht, gibst du mir deine Hand,

Dein Herz seh ich als reiche Sonne funkeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

Heinrich Lersch                        Ich war von Weltweh krank

1889 - 1936

Nun preß ich deinen Kopf in meine Hände;

Und schließe deinen Mund mit meinem Munde zu.

Nun schlägt das Herz hart an der Rippen Wände,

Aufblüht die Seele aus der dunklen Ruh.

 

Du läßt nicht los, die Lippe zittert: „Du!“

Dein Atem! Das ist: Höchster Sehnsucht Brände

Kühlender Hauch. Dein Kuß ist: Schicksalswende!

Ich steig aus Erden-Ekel Gottes Himmeln zu.

 

Dein Mund: Firne über Firne, vom Blau

Des Himmels angehaucht. Dein Mund:

Des Meeres Ewigkeit. Dein Mund: die ewige Frau!

 

Ich war von Weltweh krank und lebenswund.

Fa kamst du, Heilige! Liebtest mich! Durch deinen Mund

Schloß Gott und Welt und Mensch mit mir den Bruderbund.